03.10.2012

Zubereitung: ein Tee - zwei Ergebnisse

(To visitors from abroad: a summarized version in English can be found within the comments to this post)
Gleich kommt etwas Vorgeschichte - damit aber schon mal Spannung auf die Verkostung aufgebaut wird, hier ein erstes Bild:
Zum herbstlichen Wetter passend etwas Deko

Heute habe ich mir mal einen Tee von TeeGschwendner vorgenommen - war schon längst fällig, denn seit 26 jahren bin ich Fan des Unternehmens ... und seit 10 Jahren Mitarbeiter.
Damit das hier jetzt keine Fan-Werbeveranstaltung wird, vergleiche ich den Tee nicht gegen andere Tees, sondern habe zwei diametrale Arten der Zubereitung gegeneinander antreten lassen.

Versuchsobjekt war der Formosa Fancy Superior Choice Oolong Nr. 625 (Link zum Produkt). Scheinbar hat Stéphane von Tea Masters auch mich mit seiner Reihe (1, 2, 3) über Oriental Beauty Tees angesteckt, wie schon andere Blogger auch.
Ein Tee - umkämpft von zwei Zubereitungsphilosophien


Die zwei Zubereitungsarten, die ich gewählt habe, sind gewiss Extreme:
Rechts die Methode der Pragmatiker/Gelegenheitsteetrinker: 3 gehäufte Teelöffel mit Papierfilterbeutel im 0,5l Kännchen, 3-4 Minuten ziehen lassen. Habe nur einen Aufguss gemacht, reichte ja für mehrere Tassen
Links die Methode der Tea Nerds: Gongfucha-style im 80ml Gaiwan, ausgelegt auf mehrere Aufgüsse.

Erster Gaiwan-Aufguss links, rechts aus der Kanne
Ja, ich weiß dass wir unseren Kunden immer wieder sagen, dass die optimale Zubereitung mit frei schwimmenden Teeblättern statt eingepfercht im Filter erfolgt. Aber dass die Unterschiede so deutlich werden, hätte ich nicht gedacht!

  • Duft:
    • aus Gaiwan: süß wie Gebäck, blumiges Parfum, etwas Vanille
    • aus Papierfilter: flach, metallisch, wie muffige Thermoskanne, minimale Vanille-Note, der Parfum-Eindruck geht ins Seifige
  • Aussehen:
    • aus Gaiwan: ein strahlendes, leuchtendes Orange
    • aus Papierfilter: dumpfes Orange, das ins Braune übergeht
Das unterschiedliche Aussehen ist beim zweiten Aufguss noch deutlicher
  •  Geschmack:
    • aus Gaiwan: zart, blumig, ganz leichte Zitrusnote und im Nachklang eine mineralische Frische
    • aus Papierfilter: dumpfer Thermoskannentee! nicht klar, ob es sich um Darjeeling SF oder Formosa Fancy Oolong handelt. Aber im Abgang lebhaftes Prickeln mit frischer Säure.
die rechte Methode ist praktischer - aber nicht sexy!
  •   Fazit: Der Gaiwan ist gegenüber dem Papierfilter ein Quantensprung. Ich hoffe, dass die Teetrinker, welche sich so einen edlen Tee gönnen, auch die Zeit für die richtige Zubereitung nehmen. Denn so wie mir der Tee aus dem Papierfilter schmeckte, wäre ich höchstens bereit, ein Viertel des Preises zu zahlen.
Es muss ja nicht gleich der Gaiwan sein: 6-7g Tee in eine vorgewärmte Kanne geben, mit kochendem Wasser überbrühen und nach 2-3 Minuten durch ein Sieb in eine andere (vorgewärmte) Kanne umgießen - so einfach kann das gehen.

Mein Tipp: wenn ein Tee teuer war, lieber mit der Zubereitung experimentieren als voreilig den Tee abzuschreiben. Für mein persönliches Empfinden ist dieser Tee absolut seinen Preis wert ... wenn man ihn nicht in enge Papierfilter ( oder - Lu Yu verhüte! - gar in ein Teeei) quetscht.

In diesem Versuch merkte ich auch, dass ich nach sehr langem Überlegen den richtigen Blog-Namen gefunden habe. Wenn einer den Tee im Gaiwan zubereitet und ein anderer Papierfilter nimmt, werden die beiden sich nicht auf eine allgemeingültige Beschreibung des Tees einigen können - es gibt eben keine ObjektiviTEEt.

Welche Erfahrungen habt Ihr gemacht? Auch mal einen Tee durch andere Zubereitung in neuem Glanz erstrahlen lassen?

P.S. Ich schreibe diesen Blog in meiner Freizeit als Teebegeisterter - nicht als Werbung für meinen Arbeitgeber.

5 Kommentare:

  1. Hello Gero, you should patent your infusion counting system. Thanks for the review!

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  2. As promised earlier here is an English version of the post:

    For this tasting I picked a TeaGschwendner product - which is overdue, as I became a fan of TeaGschwendner 26 years ago ... and in 2002 I changed to the other side of the counter and became an employee.
    This tasting is not meant as advertising, so I won't compare today's tea against another vendor's product. Instead I'll compare two opposite approaches to brewing this tea.

    Ok, this is about our Tea No. 625, Formosa Fancy Superior Choice Oolong. It seems I'm one of several bloggers infected by Stéphane (Tea Masters) with an increased curiosity for the diversity of Oriental Beauty types (or Bai Hao or Five Colour Oolongs).

    The two methods of brewing are about as opposite as they can be.
    On the right half of the pictures you find a very pragmatic approach, often applied by the most casual (i.e. careless) tea drinkers:
    About 3 teaspoons go into a paperfilter, which is infused for 3-4 minutes in a 0.5l pot (this one made of stainless steel - a material supposedly neutral on a tea's taste). I didn't reinfuse this tea, as careless tea drinkers propably wouldn't bother.
    On the left side of the pictures you find the method of choice for tea nerds like me: gongfucah-style in a gaiwan, intended for several infusions.

    Well, I know we always tell our customers that best results are obtained by giving your tea leaves ample room to interact freely with the water. As I do so in 99% of my tea consumption, I have never really compared these two methods "back to back".
    I'd never have believed how extremely different the tea turns out!

    Fragrance:
    Gaiwan brew gives sweet notes of cookies, flowery perfume and some vanilla
    Paper filter gives a flat, metallic impression of musty thermos bottles, with minimal hints of vanilla. The perfume notes are drifting off to a soapy impression.

    Looks:
    Gaiwan produces a brilliant and vibrant orange.
    Paper filter renders a dull orange bordering on light brown.
    (photograph of second infusion shows the visual difference more clearly)

    Taste:
    Gaiwan gives you delicate, flowery notes with a light hint of citrus fruits. Aftertaste is of a mineral freshness.
    Paper filter produces a brew which seems to have spent to long in a musty thermos bottle, which doesn't clearly show it is a Taiwan Bai Hao - might as well pass for a bland Darjeeling second flush. But aftertaste is okay: lively with refreshing acidity.

    Conclusion: Gaiwan is far superior! Tasting tea made in paperfilter, I would not be willing to pay more than 1/4 of the regular price. For the gaiwan results, I would deem it okay to charge a higher price.

    My suggestion: whenever an expensive tea leaves you dissatisfied, try changing your brewing parameters. Don't give up!

    What are your experiences? Ever had a tea change from ugly duckling to beautiful swan by altering you brewing style?

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  3. Da hast du ja eine extreme Variante für einen Vergleich gewählt. Trotzdem oder auch gerade deswegen sehr interessant zu lesen. Gefällt mir sehr gut :) Weiter so!

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  4. Übrigens gefallen mir die Herbstblätter sehr gut!

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  5. Stimmt, hätte nicht gedacht, dass der Unterschied so deutlich zu sehen ist!

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