11.12.2012

Challenge / Herausforderung: Jinggu 2012

Wie wichtig die richtige Zubereitung für den Teegenuss ist, brauche ich wohl nicht schon wieder zu erwähnen. Dass aber für die richtige Zubereitung die Geisteshaltung entscheidend ist, wurde mir heute zum Glück wieder klar.

The importance of careful tea brewing is something I don't have to repeat. But today I would like to dwell on the set of mind / attitude which can be the main ingredient in brewing up a good cup.

Es gibt bei Bannacha einen Tee von diesem Jahr, der aus Jinggu stammt. Die Beschreibung hat mich neugierig gemacht, also habe ich bei meiner letzten Bestellung auch eine 20g-Probe diesen Tees geordert.

At Bannacha there is a tea of this year's spring from Jinggu. The description made me curious enough to include a 20g sample in my last order.



Zuerst habe ich mir den Tee mal als Begleitung für einen Abend der Internetrecherche gemacht. Nebenbei getrunken, um einen ersten Eindruck zu bekommen - so wollte ich ein Gespür dafür bekommen, wie die Eigenschaften des Tees so sind und wie ich bei einer richtigen Gongfucha-Sitzung das Optimum aus dem Tee heraushole.

My first go with this tea was very simple: just a casual tea to keep me company while searching the internet for deeper sheng knowledge. It was intended to be a first get-to-know, so I would get an idea of how to best brew this tea in a gongfucha session.

Bei der ersten richtigen Sitzung habe ich viel Tee in meinen Gaiwan gepackt und den Tee kurz ziehen lassen. "Ganz nett" dachte ich mir ... bis zum vierten Aufguss, mit dem der Tee rapide in die Belanglosigkeit abdriftete.

In that first gongfucha session my gaiwan received a heavy load of tea leaves for very short infusions. 'Quite nice' was my impression - untill I reached the fourth infusion and the tea suddenly dropped to utter boredom.


Aber der Tee muss doch mehr zu bieten haben! Nach dem Text von William auf Bannacha muss das ein ganz toller Tee sein - wie bekomme ich das nur in meine Tasse?
Also habe ich dann noch einen Versuch gestartet mit schwächerer Dosierung im Tonkännchen. Da fiel der Tee dann über viele Aufgüsse sehr konstant aus - aber ohne jegliche Besonderheit.

But there just has to be more to be found in this tea! According to William (Mr. Bannacha) it is something grand. Just how to get that into my cup?
So I gave it another try: fewer tea leaves, brewed for longer infusions in a clay teapot. Prepared this way, the tea kept a constant level for many infusions ... but that level was free of any excitement.



Nun wurde es eng - es war nicht mehr viel von der 20g-Probe übrig (wobei William die vermutlich recht großzügig bemessen hat). Also habe ich auf teetalk um Tipps gebeten.

Now things got serious - there was not much left of my 20g bag (which probably held a very generous interpretion of 20g to begin with - thanks William!). So I asked for help on our German tea forum teetalk.

Heute war es dann soweit - der nächste Versuch wurde gestartet mit wiederum recht schwacher Dosierung:
Der Tee kam vom sehr kalten Dachboden, also habe ich einen Tipp aus dem Blog von Miss Tea Delight abgewandelt und die Blätter erstmal mit lauwarmem Wasser angewärmt. Dann mit heißem Wasser gespült und einige Minuten gewartet (Tipp von teetalk).

Today was the day - my next attempt at getting this tea right, once again with a light leaf/water ratio.
The tea was stored in our rather cold attic, so I adapted a hint from Miss Tea Delight and gently warmed the leaves with luke warm water. Then the leaves got a rinse and afterwards some minutes to unfurl.  



Den ersten Aufguss habe ich (für meine Verhältnisse) ungewöhnlich lange ziehen lassen, vermutlich eine halbe Minute. Trotzdem zeigte sich der Tee in der Tasse recht hell und schmeckte auch milde (aber angenehm).

The first infusion got plenty of time (compared to other sessions) - I waitend for about half a minute before pouring the tea. Still the cup turned out quite light both in colour and in taste.

Der Durchbruch kam mit dem zweiten Aufguss. Das war kein "wow", das war ein ausgewachsenes "WOW!".
Hier mal meine Originalnotizen:
Farbe heller Bernstein Richtung Orange. Duft ist eine Aprikosenexplosion. Hart an der Grenze zum 'zu lange gezogen' … aber noch nicht ganz drüber. Somit ein enorm vollmundiger, dichter Tee mit einer deutlichen Tannin-Warnung: 2 Sekunden länger und es wäre vor Adstringenz ungenießbar.
Ichi go ichi e 一期一会 : wenn es (auch beim Tee) immer nur den einen, unwiderbringlichen Moment als das einzig Reale gibt, dann ist dieser Aufguss vielleicht der beste Moment. Denn hier und jetzt ist der Tee seinen Preis wert. Ob der Charakter über viele Aufgüsse so bleibt, ist mir in diesem Moment egal – denn dieser Aufguss ist perfekt.
Am Deckel erschnuppere ich jetzt, da er abgekühlt ist, neben der Aprikose auch einen blumigen Duft, wie von Veilchen.

Infusion #2 brought the break through: this wasn't merely 'wow' - it was a full grown 'WOW!'
My original notes read something like: Colour of light amber with hints of orange. Fragrance is an explosion of apricots. Bordering on 'steeped for too long' ... but not quite beyond the realm of pleasure. Makes it a well rounded and bodacious tea with a clear tannin warning: 2 seconds more would render it undrinkable.
Ichi go ichi e 一期一会: this means (not just in tea) that each single irretrievable moment is the only reality there is. Well, this infusion is a perfect moment. Here and now the tea is worth its price. If it stays like this for future infusions has become irrelevant - the present moment is all it should be.
When cooled a little the gaiwan's lid gives a fragarance of not just apricots but also something flowery - might be violets.


3. Aufguss: unverkrampft und entspannt bereitet, denn der Tee hat ja schon im 2. Aufguss so gestrahlt, dass ich damit schon zufrieden bin. Da hatte ich überhaupt keine Erwartung daran, dass der 3. an den 2. heranreichen könnte. Konnte er aber!
Ich hatte ganz vorsichtig aufgegossen, um die Blätter im Gaiwan möglichst wenig zu stören. Diese Respektsbekundung gegenüber den Blättern war wohl gut … und auch das 'wu wei'?

3rd Infusion: relaxed and easy preparation. As 2nd infusion had already yielded perfection & satisfaction, I felt no need to strain very hard. How could I expect another brew as fantastic as the previous? Anyhow - that was just how it turned out, pure bliss.
When pouring the hot water, I did it slowly and gently, lest to disturb the leaves. This show of respect towards the leaves paid off ... and perhaps the wu wei.

Kleiner Exkurs: der Daoismus ist ein Thema, in dem ich mich viel zu wenig auskenne. Aber ein Freund von mir (Ou Fuke, liest Du dies vielleicht?) hat mir mal von 'wu wei' erzählt: dem "Nicht-Handeln" - was keine Inaktivität beinhaltet, sondern das unverkrampfte und natürliche Geschehenlassen  beschreibt. 

Please bear with a digression: daoism is a topic which I know precious little about (hardly anything). But a friend of mine once told me about 'wu wei 無為 ': 'non-action' - which is  not about inactivity, but describes letting things happen naturally, without much deliberation.

Mit dieser Einstellung ging es weiter. Auch die nächsten Aufgüsse wurden nicht nach einem genau ausgetüftelten Schema zubereitet, sondern aus dem Bauch heraus kam es mir richtig vor, das heiße Wasser ganz vorsichtig und langsam über die Wand des Gaiwan aufzugießen. Auch die Ziehzeit folgte rein der Intuition und dem Duft des Gaiwandeckels. Wenn der Duft gut war, habe ich abgegossen. Das funktioniert natürlich nur, wenn man sich ganz dem Tee widmet ("sich konzentrieren auf" klingt mir da schon wieder zu verkrampft). Also habe ich keine Musik gehört, nicht im Internet rumgesucht, sondern einfach nur ganz aufmerksam den Tee genossen.

In that frame of mind the session continued. The ensuing infusions were not conducted in accordance to any strict plan, but just happened naturally. Guided by the feeling that I should not interrupt the leaves in doing their magic, I kept the pouring to a very gentle movement - adding water to the gaiwan slowly on the side. The infusions' timing was also guided by intuition and by checking the gaiwan's lid for the right fragrance: when I found it, it was time to pour the tea. No clock, no counting the seconds. This works only if you dedicate your full attention to the tea. No music, no internet - just the tea and me.

So bekam ich 14 wunderbare Aufgüsse. Die Süße stieg und ebbte ab - mal war mehr Aprikose und später mehr Champignon im Geschmack. Aber jedes Mal ein enorm lebendiges Mundgefühl und ein sehr langer Nachgeschmack. Dazu ein Gefühl sehr wach zu sein, ohne mich aufgekratzt zu fühlen.

For this relaxed mindfulness I was rewarded with 14 wonderful infusions. Sweetness came and receded; first apricots seemed to dominate the taste, later mushrooms prevailed. But each single brew gave a lively mouthfeeling and a lasting aftertaste. During the session I felt very much awake, without being exhilarated.

Endlich habe ich den Schlüssel zu diesem Tee gefunden! Ich brauche keine bestimmte Methode mit präzise einzuhaltenden Schritten. Nach meinen ganzen Bemühungen, diesen Tee richtig zuzubereiten, war der Schlüssel einfach, die Bemühungen einzustellen. Vielmehr muss ich einfach nur dem Tee meine Aufmerksamkeit widmen und auf mein Bauchgefühl achten.

Finally I found the key to this tea! No need to follow precise steps of an elaborate preparation. After all my struggling to get this tea right, the key was simply to stop struggling! I just had to give my attention / mindfulness to the tea and allow my intuition to guide the way.
 
Der Schlüssel zu diesem Tee ist ungefähr wie der Löffel in meiner liebsten Szene aus Matrix:
The key to this tea is somehow like The Spoon in my favorite scene from Matrix:



Kennt Ihr auch solche Tees, die nicht gleich auf Anhieb gelingen, aber dann um so leckerer werden?

Have you had similar experiences - teas which didn't turn out right at first but then ended up being just great?



P.S. bitte jedes "heute" gegen "gestern austauschen. Habe mal wieder viel zu lange gebraucht, um alles zu schreiben.

P.S. please replace each 'today' with 'yesterday' - once again my ramblings took far too long to get everything written on the day of my tea session.

5 Kommentare:

  1. Schön, dass Du mit der letzten Probe die Kurve gekriegt hast. Ich fand den Tipp, den Tee zu waschen und dann stehen zu lassen auch sehr hilfreich. Die Blätter sehen toll aus. Da kkommt Vorfreude auf. Ich habe den ja noch gar nicht probiert!

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  2. I don't think a truly good tea will really not turn out right in the beginning just because your brewing parameters aren't ideal, unless you steep it so long that it gets really bitter, or use way too much leaf or way too little. Aside from those mixups, the rest is just fine tuning. I think puer is probably the most accommodating tea/quickest to show its character. Dan cong requires the most nudging.

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  3. @Luke: so lecker ich den Tee jetzt auch finde - er wäre bestimmt nicht der richtige Kandidat für 'Luke's Next breakfast Tea' ;-)

    @Nick:
    True enough - many people write that dancong is the most demanding tea. But I was lucky: I had my first encounters with dancong before I read anything about it, so dancong and I started off without any awkwardness. Actually my own personal experience is the exact opposite of what is considered typical. To me dancong is a very relaxed tea - never any disappointments.
    When I wrote about it on December 2nd, I thought about a headline like "easy dancong".
    Shengcha on the other hand turns out differently in each session I do. Seems I am managing to mess up something fool proof. ;-)

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  4. Yeah, actually, I take that back. I think I am just basing on an initial experience of drinking very high quality dan cong, and the main thing I was doing was being selfish by not using enough leaf. Well, TW oolong is very concentrated and lightly oxidized, so if you overdo it it gets nasty/overly vegetal, so maybe that'd be considered more difficult, although I'm very used to that. Actually, I think it's more that high quality tea is easy to appreciate and do well, it's more lower grades of quality that present challenges both in appreciation and taste. Strong/smoky/cheaper sheng probably falls into this.

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  5. das hab ich bei sehr vielen tees zu beginn, dass ich einige versuche brauche, bis ich sie richtig gut hinbekomme...

    aus dem grund hab ich u.a. früher keinen so grossen wert auf ständig neue tees gelegt, sondern lieber die zubereitung bei den vorhandenen verfeinert.

    ist aber auch ne übungssache, und heute brauch ich nicht mehr so lange, um mit einem neuen tee zurecht zu kommen.

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