Während die Wachstumsbedingungen (Klima, Boden) für die Teepflanzen auf beiden Seiten der Grenze annähernd identisch sind, ist der Weg vom Teebusch in die Fabrik in Nepal typischerweise ganz anders als in Darjeeling.
Gemeinsam ist beiden Gegenden, dass "two leaves and a bud" gepflückt werden. Dieses Set aus der noch geschlossenen Blattknospe und den beiden jüngsten Blättern wird auch als ein "shoot" bezeichnet:
picture source: Wikipedia |
Fangen wir mal mit dem klassischen Anbaugebiet Darjeeling an: als die Briten hier vor ca. 150 Jahren die Teegärten anlegten, waren diese "Estates" Plantagen mit vielen Mitarbeitern. Auch heute noch ist es so, dass ein Garten viele Mitarbeiter hat, die auf dem Gelände des Teegartens in ihren Häusern wohnen. Wohnen, Essen, Heizmaterial - verschiedene Aspekte des täglichen Lebens werden vom Teegarten subventioniert oder teilweise gratis zur Verfügung gestellt. Auch Schulen und medizinische Versorgung (in kleinen Teegärten Kliniken, ganze Krankenhäuser in den großen Teegärten) sind kostenlose Leistungen der Arbeitgeber. Dazu kommt dann noch der Lohn für die Arbeit zwischen den Teebüschen (Pflücken, Unkraut jäten, Rückschnitt der Büsche,...) oder in der Fabrik.
Die Pflückerinnen in Darjeeling werden also vom Teegarten versorgt, der dafür genaue Arbeitsanweisungen geben kann: wann wird wo wie gepflückt. Die Qualitätsstandards sind (in einem gut geführten Garten mit motivierten Mitarbeitern) also entsprechend hoch, wenn man sich die gepflückten Blätter ansieht.
Teepflücken in Darjeeling |
Teepflücken in Nepal |
In Nepal stellt sich die Situation anders dar: die meisten Teefelder gehören individuellen Kleinbauern, die auch Kartoffeln, Mais und diverse andere Feldfrüchte anbauen (auch Hirse, aus der ein heimtückischer Schnaps gebrannt wird - Achtung bei klaren Flüssigkeiten in Wassergläsern!). Die Bauern verkaufen ihre Teeblätter an eine lokale Fabrik ... oder bringen die unverarbeiteten Blätter über die Grenze nach Darjeeling, um sie dort für wenig Geld an eine Fabrik zu verkaufen. Das Hauptproblem ist, wie frisch die Blätter in der Fabrik ankommen. Wenn ich möglichst viele Blätter in enge Netze quetsche, diese auf mein Motorrad packe und über die Grenze nach Darjeeling knattere, kommt kein gutes Blattmaterial in Darjeeling an, egal wie sorgfältig es gepflückt wurde. Gequetscht und lange transportiert - da setzt die Oxidation schon unkontrolliert ein, bevor die Blätter überhaupt in die Welktröge kommen (mehr zur Verarbeitung in einem eigenen Beitrag).
Aber auch, wenn die Teeblätter in einer lokalen Fabrik weiterverarbeitet werden, kann der Zustand der Blätter porblematisch sein. Kommt zum Beispiel überraschender Besuch vorbei, isst man etwas zusammen, quatscht und erinnert sich ein paar Stunden später an die Blätter. Ist jetzt überhaupt noch jemand in der Fabrik, um die Ernte anzunehmen?
Ein anderes Problem ist der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Vielleicht findet der Bauer noch einen Kanister mit Spritzmittel, das er vor Jahren mal für seine Kartoffeln gekauft hat. Wenn das großzügig auf den Teebüschen eingesetzt wird, kann das Endprodukt unverkäuflich werden.
Das dritte Problem ist das Überpflücken der Teebüsche. Je mehr der Teebauer pflückt, desto mehr Geld bekommt er (oder wenn er die Blätter schwerer macht, indem er sie mit Wasser besprüht). Diese Motivation, möglichst viel zu pflücken, kann zum Überpflücken führen. Dabei werden mehr Blätter vom Teebusch gepflückt, als gesund für ihn ist ... ein Sägen am Ast, auf dem Teebauer sitzt.
Diverse Probleme, die in der geringeren Kontrolle der Pflücker durch die Teefabrik liegen. Andererseits ist für die Bauern die Diversifikation des Anbaus auf verschiedene Feldfrüchte sowohl ökonomisch als auch ökologisch erstrebenswert. Was kann man tun?
Man erkennt gerade die blauen Dächer der Fabrik (linke Hälfte). Soweit müssen die Teeblätter transportiert werden. (5 Minuten mit dem Jeep, 15 Minuten zu Fuß) |
Wir (=TeeGschwendner) unterstützen ein Projekt der Kleinbauern Kooperative Sunderpani. Diese Kooperative hat in Zusammenarbeit mit einem nepalesischen Teeproduzenten, der GIZ (Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit) und eine Teefabrik gebaut. In dieser Fabrik kann in unmittelbarer Nähe der anliefernden Bauern der Tee direkt verarbeitet werden. Ein ganz wichtiger Teil der Arbeit des Fabrikmanagements ist die Schulung der Teebauern: wie und wann düngen, pflegen, pflücken. Dies ist umso wichtiger geworden, seit die Fabrik biozertifiziert ist. Nun darf nicht die Nachlässigkeit Einzelner den Fortbestand der Zertifizierung für alle gefährden.
Damit die geernteten shoots in gutem Zustand zur Verarbeitung kommen, gibt es einen Shuttle-Service: ein Kleinlaster fährt in geregeltem Turnus die Höfe der Kleinbauern ab, lädt die Teeblätter in Transportkisten (um den Quetschschaden und damit unkontrollierte Oxidation zu vermeiden) und bringt sie zügig zur Fabrik.
Nun wird hier ein Tee produziert, der den deutschen Vorlieben sehr gut entspricht und dadurch besserer Preise für die Teebauern erzielt. Ein netter Nebeneffekt der Umstellung auf Bioanbau: bei der Herstellung des Biodüngers wird Grünabfall mit Kuhmist und -urin vergoren. Dabei entsteht Biogas, das nun in den Küchen der Kleinbauern zum Kochen verwendet wird. Dafür hat ein namhaftes deutsches Teehandelsunternehmen (für den ich nicht zu plump werben will - auch wenn es mein Arbeitgeber ist) jeder Kleinbauernfamilie eine Kuh spendiert.
Rechts (vorm Fenster) der Zugang für die Biomasse zum Gastank. Links davon (halbe Strecke zur Sat-Schüssel) kommt die Gasleitung aus dem Tank und... |
... und hier landet die Gasleitung in der Küche. |
Im Forum TeeTalk.de wurde ich gefragt, wie die Menschen in Nepal denn so leben. Das ist für die Kleinbauern nicht einfach zu sagen. Da ist einerseits die Außentoilette und der Waschraum, der nur mit einem Kaltwasserhahn, einer großen Plastikschüssel und einem Schöpfeimerchen ausgestattet ist. Auch die dauernden Stromausfälle und schlechten Straßen (aber immernoch um Längen besser als in Darjeeling!) klingen für unsere Ohren nicht gerade verlockend. Aber andererseits haben meine Gasteltern vier Kinder sehr gut groß bekommen: zwei Kinder studieren auf einer indischen Universität, ein Sohn arbeitet für ein Telekommunikationsunternehmen in Malaysia und die jüngste Tochter hat ein eigenes Bekleidungsgeschäft im nächsten Städtchen. Zu meinem Leidwesen ist keines der Kinder daran interessiert, die wunderschönen Felder der Eltern zu bestellen ... aber es spricht doch von einer guten Entwicklung mit besten Bildungschancen.
Die sanitäre Infrastruktur |
Man könnte noch sehr viel über die Teebauern in Nepal schreiben ... aber nachdem ich schon fast zwei Wochen an diesem Beitrag schreibe, wird es endlich mal Zeit, ihn zu veröffentlichen. Mein nächster Bericht von der Reise wird sich dann mit der Verarbeitung / Teeproduktion in der Fabrik beschäftigen.
Mal sehen, vielleicht kommt zwischendrin noch ein Verkostungsbericht ... die gehen mir doch deutlich flotter von der Hand.
Addendum: da habe ich so lange an diesem Beitrag rumgeschrieben und dabei interessante Zahlen vergessen zu erwähnen.
In Darjeeling erntet während des First Flushs eine Pflückerin üblicherweise pro Tag 4000 shoots - das entspricht 2 - 2,5kg grüner Blätter. Weil das Gewicht bei der Verarbeitung auf ca. 20% schrumpft (das Wasser wird entzogen), werden aus der Tagesernte einer Pflückerin ca. 500g Tee. Das Verhältnis von Blatttee einerseits zu Broken, Dust und Fannings andererseits ist ca 30% : 70%. Also muss für ca 150g Blatttee (den die meisten von Euch wohl bevorzugen) eine Pflückerin einen Tag lang arbeiten. Dafür bedanke ich bei den Pflückerinnen mich mit einem herzichen धन्यवाद (dhanyabad)!
Wirklich interessanter und schön zu lesender Post! So hab' ich das ganze noch nie wahrgenommen.
AntwortenLöschenSag mal, weißt du, wie das mit der Größe der Teeplantagen in Nepal im vgl zur (so gesehen doch sehr knapp bemessenen) Fläche von Darjeeling ist? Wie ertragreich sind die beiden Gebiete im Vergleich zueinander?
Grüße, Nils
sehr schöner und informativer artikel!
AntwortenLöschendie arbeit der teepflückerinnen kann man gar nicht hoch genug einschätzen. wenn ich mir die kleinen blätter im momentan von mir getrunkenen DJ-flugtee anseh, ist es schon fast kunsthandwerk, die von den teebüschen zu ernten.
auf den nächsten reisepost warte ich gespannt...
Ich ebenfalls. Das bringt einem ein Stück weit die Welt (des Tees) in die eigene Wohnung. Was mich interessieren würde, wie sich Schädlingsbefall und Krankheiten nach einer biozertifizierung noch effektiv bekämpfen lassen. Was mich immer wundert ist das bei den Bio-Tees die Blattqualität nicht leidet. Oder heißt biozertifiziert das lediglich irgend welche Werte auf dem Blatt nicht überschritten werden dürfen und es werden trotzdem Pestizide und Biozide eingesetzt ?
AntwortenLöschenSchöne Grüße
Mocha
@Nils:
AntwortenLöschenIch hätte das präzisieren sollen: meine Nepaltee-Erfahrungen beziehen sich nur auf die Ilam-Region, die eher kleiner ist als Darjeeling. Es gibt auch weiter westlich Teeanbau, auch in sehr guter Qualität (Jun Chiyabari, Everest Tea Estate etc.) mit deren Inhabern ich einen sehr spannenden und leckeren Abend in Kathmandu verbringen konnte.
Für Darjeeling habe ich Zahlen von 2005 gefunden (Quelle: Tea Board of India):
Dort sind 17500 Hektar mit Tee bepfanzt. Im ganzen Bundesstaat Westbengalen (wozu auch Dooars und Terai im Tiefland gehören) sind es 114500 Hektar. Zum Vergleich das riesige Assam: 272000 Hektar. Für Nepal fehlen mir leider noch die Zahlen.
@Key: stimmt! Eigentlich ein Wunder, dass der Tee nicht teurer ist.
@Mocha: Die große Qualitätseinbuße kommt während der Konversionsphase. Die Spritzmittel kommen nicht mehr* zum Einsatz, das Ökosystem hat sich aber noch nicht wieder eingependelt und es fehlen die Nützlinge, um die Schädlinge in Schach zu halten.
*Spritzmittel wie Niemöl oder Rizinusöl werden auch im Bioanbau eingesetzt. Je nach Standard der Biozertifizierung (JAS, NOP, EU, Naturland ...) sind mehr oder weniger Mittel erlaubt. Das EU-Siegel für Bioanbau bedeutet nicht, dass Landwirtschaft wie vor 200 Jahren betrieben wird.
Nachtrag @ Nils:
AntwortenLöschenDieses Wochenende hatten wir Besuch aus Nepal und jetzt habe ich mal ein paar Zahlen:
Insgesamt gibt es in Nepal rund 25000 Kleinbauern, die Tee anbauen. Auf der Internetpräsenz von Himcoop (Verband nepalesischer Teeproduzenten) findet man die Info, dass ein durchschnittlicher Kleinbauer 0,6 Hektar mit Tee bepflanzt hat. Daraus ergibt sich eine Fläche von 15000 Hektar Teefeldern.
Dazu kommen die Teefabriken und als ganz neuer Trend kommerzieller Anbau in großem Maßstab durch indische Unternehmen. Duch die gestiegene Teenachfrage indischer Verbraucher gehen nun indische Produzenten dazu über, im benachbarten Nepal (günstigere Kostenstrukturen als in Indien) konventionellen Tee als Massenprodukt herzustellen. Das ist eine Entwicklung, die leider dem deutlichen Trend zu Bio-Anbau durch nepalesische Teefabriken entgegenläuft.
Toller Bericht Gero. Ich beneide dich für diese Erfahrung (habe ich jetzt schon wie häufig gesagt?). Du hast es ja schon angedeutet, aber hast du mitbekommen in welchem Maße nepalesischer Tee zu "Darjeeling" verarbeitet wird? Habe mal gehört, dass das gar nicht so selten ist, weil die regionale Nähe fast identische Bedingungen aufweist.
AntwortenLöschenTja Luke, das lässt sich wirklich schwer sagen. Außer der Weiterverarbeitung frischer (wirklich noch frisch wenn sie dort ankommen?) Teebätter aus Nepal in Darjeeling Fabriken, gibt es noch die andere Möglichkeit: Indische Unternehmen kaufen fertigen Nepal Tee ein - angeblich für den Weiterverkauf in Indien. In Wirklichkeit wird dann in Kalkutta der Nepaltee den Darjeelings beigemischt, bevor diese exportiert werden. Das nachzuweisen ist aber enorm schwierig.
AntwortenLöschenEin nepalesischer Teeproduzent berichtete mir von einem Fall, dass ein indischer Tee-Exporteur beim japanischen Zoll auf der schwarzen Liste gelandet ist, weil er zu stark belastete Darjeelings nach Japan geschickt hatte. Das Pikante dabei: die übermäßig eingesetzten Pflanzenschutzmittel kamen niemals in Indien auf den Markt, sind aber im nepalesischen konventionellen Teeanbau ganz üblich. Das spricht dafür, dass nepalesischer Tee mal wieder als Darjeeling verkauft wurde. Aber wenn unbelasteter Nepaltee untergemischt wird, gibt es keine Methode, das nachzuweisen.
Mein Tipp: besser Bio-Tees kaufen. Nicht nur, weil die Teegärten dann schöner werden, sondern weil die Kontrollen strenger sind und Schummelei schwieriger wird.