Dieses Wochenende bekommen wir Besuch - morgen werde ich daher keine konzentrierte Teesession einlegen können. Also packe ich mir gleich zwei Sheng in eine Sitzung.
In letzter Zeit habe ich auch Interesse an den ganz bodenständigen Blends entwickelt. Handwerklich hergestellte Tees von alten Bäumen der Jingmai-Wälder werden mir lieb und kostbar bleiben ... aber ich finde es spannend, nun auch die Basis zu entdecken - was für Jahrzehnte die Puer-Welt dominierte, waren nunmal die Blends.
Schon vor einigen Monaten habe ich den 2007er Fuhai 7536 probiert und vor ein paar Wochen erstmals den Dayi 8582. Beide Tees gefallen mir ... aber wie weit unterscheiden sich diese Sheng, die beide in Menghai gemischt werden? Kann ich beide Jungs in einer Blindverkostung identifizieren?
Sonst ziehe ich ein Setup ohne Kleckertisch vor - aber bei Blindverkostungen einfacher in der Handhabung. |
Wie bei meiner ersten hier veröffentlichten Blindverkostung (click) habe ich wieder meine Frau gebeten, die beiden Tees mit Buchstaben zu bezeichnen und mich nicht wissen zu lassen, welcher Tee welchen Buchstaben erhielt. Vorher hatte ich zu den trockenen Teeblättern Kärtchen mit den Blendnummern gegeben - darauf hat meine Frau die entsprechenden Buchstaben geschrieben und mir diese Karten verdeckt mitgegeben.
Zum Aussehen der trockenen Blätter sage ich heute nichts. Hätte ich mich damit intensiv beschäftigt, hätte ich Erinnerungen ans Herauslösen aus den Bing haben können und mich damit schon beeinflusst.
Noch eben zum Modus: je 5g im 80ml Gaiwan (war zu konzentriert). Annähernd kochendheißes Wasser. Nach Spülgang etwas ruhen lassen, dann minimal kurze Ziehzeiten.
Nun zu meinen Live-Notizen, während der Session in die Tastatur gehackt:
A) Sheng! Tief, etwas Tabak, aber auch scharf angebratenes Spiegelei. Keine Spur von Lagerung, aber auch nicht die Frische eines ganz jungen Sheng.
B) Ganz ähnlich wie A. Vielleicht etwas weniger Tiefe, deutlicherer Tabak-Anteil (Virginia, nicht Latakia) ... und dazu eine deutlich süße Fruchtnote. Wie bei den meisten fruchtigen Sheng erinnert mich dieser Duft an Aprikosen.
Duft der Infusion nach Spülgang:
A) Eine stärkere Version des Dufts vor der Spülung mit zusätzlich einem Hauch gegrillter Paprika (süßlich fruchtig würzig mit dezenter Röstnote).
B) Ganz ähnlich wie A, auch mit der herrlichen Ahnung von Paprika - aber insgesamt leichter ... als würde der Tee sich eine Hintertür offenhalten, um eventuell doch ins Blumige ganz junger Sheng zu gehen.
Erster Aufguss:
A dunkler als B, A dunkelt auch schneller nach.
A) Tee! Geschmack von Camellia sinensis - fast wie der Antikater-Gunpowder damals mit Volker und ein wenig Rauchgeschmack. Dazu ein Hauch Leder und ganz im Hintergrund eine sehr zurückhaltende Süße, der es fast peinlich zu sein scheint, sich hier bemerkbar zu machen.
B) Viel milder (hätte erst diesen probieren sollen)! Weich und rund - zwar eindeutiger TEE-Geschmack, aber insgesamt runder, weicher. Kein Rauch und (noch?) nicht die Power, um als Antikater-Tee empfohlen zu werden. Aber irgendetwas im Mundgefühl bei diesem Tee sagt mir, dass da noch eine Kraftreserve schlummert, die erst später in die Aufgüsse übergeht.
Zweiter Aufguss:
Bemerkt, dass B noch mehr im Nugget ist, während A sich schon mehr in einzelne Blätter geteilt hat. Trotzdem sind diesmal beide Tassen ungefähr gleich intensiv orange gefärbt.
B) Geschmack von Landwirtschaft - Heusilage und etwas Kuh. Etwas süß und salzig, aber überwiegend unangenehm säuerliche Adstringenz. Diesen Aufguss habe ich wohl verhunzt, als ich mit viel zu viel Energie das Wasser auf die Blätter gegossen habe.
A) Auch zu stark mit übermäßiger Adstringenz, aber dieser Tee verkraftet das besser und zeigt nicht die unangenehme Säuerlichkeit.
Dritter Aufguss:
Fiel leider einer spontanen Allianz aus Ungeschicklichkeit und Schwerkraft zum Opfer. Ich könnte höchstens meine Jeans fragen, wie B denn so war.
Binary Match Infusion Counter = 4 |
Vierter Aufguss:
Keinerlei Farbunterschied.
B) jetzt angenehme Intensität. Sehr rund, fast schon seidiges Mundgefühl. Vor dem Hintergrund einer guten Shengigkeit schöne Fruchtigkeit.
A) Autsch, jetzt ist dieser viel zu adstringieriend säuerlich.
Sechster Aufguss:
Nun ist sogar B dunkler als A
B erscheint mir geschmacklich tiefer, voller und hat für mein Empfinden mehr Körper als A.
Während bei B die Aprikosennote auffällt (ohne alles zu überlagern), ist es bei A eher eine kräuterige Tabaknote mit Gunpowder Parallelen.
Heute möchte ich die Tees nicht bis zur völligen Auslaugung testen - das wird mir zuviel. Also verrate ich jetzt mal, was mein Tipp ist:
A: Dayi 8582
B: Fuhai 7536
Auch wenn meine Teefreunde bei TeeTalk.de dem 8582 eine gewisse Süße attestieren, ist es für mich eher ein würziger Tee - das passt zu A in meiner Blindverkostung
Der Fuhai beeindruckte mich seit dem ersten Kennenlernen durch die Aprikosensüße, die mit der Kraft einhergeht. Obwohl er runder und geschmeidiger wirkt als A, ist B immernoch kraftvoll ... und eben recht aprikosig. Daher bin ich mir ziemlich sicher, den Fuhai als Tee B getrunken zu haben.
Nun die Auflösung:
Erleichterung - ich lag diesmal richtig!
Die Geschmeidigkeit des Fuhai mag an einer besseren Blattqualität oder einer sorgfältigeren Lagerung liegen. Ich tippe aber eher darauf, dass es ein Effekt der längeren Lagerung ist. Der Dayi wirkt auf mich auch älter als das Jahr der Pressung 2011 - aber im direkten Vergleich merkt man dann doch, was ein paar Jahre mehr ausmachen können.
Für mich immer wieder spannend, so einen direkten Vergleich zu haben. Diesmal lief die Blindverkostung besser ab als bei dem Massengestümmel von 2 Mangfei und 2 Jingmai. Nicht nur, weil ich genauer die Tees erkennen konnte, sondern auch weil es mit 2 Tees einfach besser handhabbar ist.
Habt Ihr auch schon Erfahrungen mit solchen Blindverkostungen? Wie lief es bei Euch?